An diesem Tag im Jahr 1915 konnte die Welt voller Verwirrung beobachten, wie in einem Raum des Art Institute of Chicago der Öffentlichkeit zum ersten Mal das Voynich-Manuskript gezeigt wurde. Im Jahr 1912 war es vom Buchhändler Wilfried M. Voynich wiederentdeckt worden. Über dem mittelalterlichen Manuskript haben sich seitdem viele Gelehrte wegen des Inhalts den Kopf zerbrochen.
Das wunderschön beleuchtete Buch, das jetzt in der Beinecke Rare Book and Manuscript Library der Yale University liegt, ist handgeschrieben in einer Sprache, die nicht zu entziffern ist. Es enthält ungefähr 240 Pergament-Seiten und besteht aus sechs klar eingeteilten Abschnitten, mit Betonung auf Kräuterkunde, Astronomie, Biologie, Kosmologie, Arzneikunde und Kochkunst. Die behandelten Themen deuten darauf hin, dass es sich um eine Art medizinisches Handbuch oder eine Anleitung für Apotheker handelte.
Der Manuskript-Text ist von links nach rechts geschrieben und soll eine Chiffre sein, die einer europäischen Sprache entspricht. Es ist ohne Zeichensetzung oder erkennbare grammatikalische Muster, aber es scheint wiederkehrende Symbole zu nutzen, die dem Alphabet entsprechen. Voynichs Theorie lautete, dass einst ein Code-Buch existiert haben könnte, das den Schlüssel zu dem Text lieferte.
Die Geschichte des Buches ist sehr lückenhaft. Es gibt Berichte, dass das Buch vermutlich einem tschechischen Alchimisten mit dem Namen Georg Baresch gehört haben soll. Nach seinem Tod gelangte das Manuskript in die Hände eines akademischen Freundes und von dort kam es in die Sammlung der Prager Karls-Universität.
Mehr als 200 Jahre hörte man nichts von dem Buch. Die Sammlung der Universität scheint aufgeteilt worden zu sein und so gelangte das Manuskript letztendlich in eine Sammlung in Rom, wo es im Jahr 1912 an Voynich verkauft wurde, um dringend benötigte Gelder aufzubringen.
Die Datierung des Buches führte zu einer erheblichen Diskussion. Voynich war überzeugt, dass es die Arbeit des Franziskanermönchs Roger Bacon aus dem 13. Jahrhundert war. Jüngste Versuche, das Werk anhand der Pergament-Seiten zu datieren, lassen vermuten, dass es vom Anfang des 15. Jahrhunderts stammt. Einige Illustrationen zeigen menschliche Figuren, und die Art und Weise, wie sie ihre Haare und was für Kleidung sie tragen lassen auf die Zeit um 1450 schließen.
Die verschlüsselte Art des Buches hat zu unvermeidlichen Fragen bezüglich Authentizität und Urheberschaft geführt. Jacobus Sinapius, ein Spezialist für Kräutermedizin am Hof des Heiligen Römischen Kaisers Rudolf II., wurde häufig als möglicher Autor genannt. Andere halten die Arbeit für ein Produkt des italienischen Renaissance-Architekten Antonio Averlino. Viele andere Namen wurden mit dem Manuskript verbunden, einige haben sogar Voynich selbst für den Autor des Manuskripts gehalten.
Wie auch immer die Antwort lautet, das Buch bleibt genauso ein Rätsel wie es schon 1915 eins war. Die Gelehrten sind der Frage nach der wahren Natur des Voynich-Manuskriptes nicht näher gekommen. Voynich selbst widmete sein Leben der Aufdeckung der Rätsel des Buches, aber er starb im Jahr 1930 ohne Antworten gefunden zu haben.
Bild: ©Beinecke Library