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Am 1. Juli 1903 um 15.16 Uhr Ortszeit fiel vor dem „Café Le Réveil-Matin“ im Pariser Vorort Montgeron der Startschuss zur ersten Tour de France. Ein Großteil der 60 Teilnehmer stammte aus Frankreich, doch auch einige Belgier, Schweizer, Deutsche und Italiener stellten sich dem beispiellosen Härtetest. Ein Drittel waren von Fahrradherstellern gesponserte Profis, die anderen lediglich Anhänger des Sports. Dem Gewinner winkte ein Preisgeld in der Höhe von 20.000 Franken.

 

Hintergründe und Streckenverlauf

So etwas wie die Tour de France gab es noch nie zuvor. Der Journalist Geo Lefevre hatte sich das Rennen der Superlative ausgedacht, um die Auflage seiner Sporttageszeitung „L'Auto“ zu steigern. Henri Desgrange, Chefredakteur der Zeitung und selbst ehemaliger Radrennfahrer, fand Gefallen an der Idee, Frankreich in eine einzig große Radrennbahn zu verwandeln. So erarbeiteten die beiden eine 2.428 Kilometer lange Route, die in einer Schleife im Uhrzeigersinn von Paris nach Lyon, Marseille, Toulouse, Bordeaux und Nantes wieder zurück in die französische Hauptstadt führte.

 

Unterschiede zu heute

Bei der ersten Tour de France waren keine alpinen Anstiege vorgesehen und auch nur sechs Etappen im Gegensatz zu den heutigen 21. Allerdings mussten pro Etappe im Durschnitt über 400 Kilometer zurückgelegt werden, was doppelt so viel ist wie bei der Austragung im Jahr 2021 (162,59 Kilometer). Zwischen den Etappen wurden ein bis drei Ruhetage zur Erholung eingeplant.

Die erste Etappe des epischen Rennens war besonders tückisch. Die Strecke von Paris nach Lyon erstreckte sich über 467 Kilometer. Zweifellos sorgten sich einige der Fahrer, die von Paris wegfuhren, nicht darum, das Rennen zu gewinnen – sondern es zu überleben.

Im Gegensatz zu den heutigen Fahrern waren die Teilnehmer von 1903 ohne Helm auf unbefestigten Straßen unterwegs. Sie bestritten das Rennen als Einzelpersonen, nicht als Mitglied eines Teams. Wer Hilfe benötigte oder Reparaturen vornehmen musste, war allein dafür verantwortlich. An ihren Oberkörpern befestigten die Sportler Ersatzreifen und Schläuche, um für den Fall eines Platten vorbereitet zu sein.

Die teils kaum besiedelten und langen Strecken legten die Fahrer, anders als heute, oftmals nachts zurück – ohne Straßenbeleuchtung oder ähnlichem. In den frühen Morgenstunden während der ersten Etappe trafen die Rennverantwortlichen auf viele vollkommen verschlafene Teilnehmer, die ohne Rast weiterfuhren.

Stunde um Stunde brachen die Fahrer das Rennen ab. Einer der Favoriten, Hippolyte Aucouturier, gab auf, nachdem er Magenkrämpfe bekam.

 

Rennverlauf

23 Fahrer gaben nach der ersten Etappe des Rennens auf. Ein Mann, der schneller als alle anderen durch die Nacht kam, war ein weiterer Favorit vor dem Rennen, der 32-jährige Profi Maurice Garin. Der schnurrbärtige Franzose arbeitete als Teenager als Schornsteinfeger, bevor er zu einem der besten Radsportler Frankreichs wurde. In Schlamm gehüllt, überquerte Garin etwas mehr als 17 Stunden nach dem Start außerhalb von Paris die Ziellinie in Lyon. Trotz der Länge des Rennens gewann er mit nur einer Minute Vorsprung.

Der Etappen-Erste baute seinen Vorsprung im Verlauf des Rennens aus – bei der fünften Etappe waren es schon zwei Stunden. Als sein schärfster Konkurrent zwei platte Reifen hatte und am Straßenrand einschlief, war die Tour so gut wie entschieden.

 

 

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Die sechste und letzte Etappe, die mit 471 Kilometern längste des Rennens, begann am 18. Juli um 21 Uhr in Nantes, damit die Zuschauer am späten Nachmittag die Ankunft der Fahrer in Paris bejubeln konnten. Garin schnallte sich eine grüne Armbinde um, um seine Position als Führender zu signalisieren. (Das berühmte Gelbe Trikot des Führenden wurde erst 1919 eingeführt.) 20.000 Zuschauer im Parc des Princes jubelten, als Garin die finale Etappe und die erste Tour de France gewann. Er schlug den Metzgerlehrling Lucien Pothier um fast drei Stunden und damit mit dem meisten Vorsprung in der Geschichte der Tour. Garin hatte mehr als 95 Stunden im Sattel verbracht und war durchschnittlich 24 km/h gefahren. Insgesamt beendeten 21 der 60 Teilnehmer die Tour, wobei der letztplatzierte Fahrer fast 65 Stunden hinter Garin lag.

Für Desgrange war das Rennen ein voller Erfolg. Die Auflage der Zeitung stieg während des Rennens um das Sechsfache.

 

Betrug

Ein chronisches Problem, das die Tour de France dauerhaft plagen würde, war jedoch bereits beim Eröffnungsrennen vorherrschend: Betrug. So hatte der Teilnehmer Jean Fischer bereits während der ersten Etappe die Hilfe eines Autofahrers genutzt, der dabei half, sein Fahrrad zu beschleunigen. Ein weiterer Fahrer wurde in einer nachfolgenden Etappe wegen der Fahrt im Windschatten eines Autos disqualifiziert.

Das alles war jedoch nichts im Vergleich zu den Begebenheiten im folgenden Jahr bei der Tour de France 1904. Als Garin und ein anderer Fahrer durch St. Etienne fuhren, bildeten die Fans des lokalen Mitstreiters Antoine Faure eine menschliche Blockade. Sie prügelten auf die Männer ein bis der Veranstalter Lefevre am Schauplatz eintraf und eine Pistole abfeuerte, um den Kampf zu beenden. Später im Rennen legten Anhänger eines weiteren Fahrers, der disqualifiziert worden war, Reißzwecken und Glasscherben auf der Straße aus, um gegen die Entscheidung zu protestieren. Manche Teilnehmer selbst bekleckerten sich auch nicht unbedingt mit Ruhm: Sie fuhren im Dunkeln per Anhalter mit Autos und nahmen verbotenerweise Hilfe von Außenstehenden in Anspruch. Garin selbst wurde beschuldigt, während einer Etappe illegal Nahrung beschafft zu haben. Das Rennen war dermaßen von Skandalen geplagt, dass Desgrange vier Monate später Garin und drei weitere Top-Platzierte disqualifizierte. Es sollte bekannterweise nicht nicht das letzte Mal gewesen sein, dass einem Tour-Sieger der Titel nachträglich entzogen wurde.

 

 

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