Der Schotte James Watt trug dazu bei uns in die moderne Welt zu führen. Obwohl er ein furchtbarer Geschäftsmann war, war er die treibende Kraft hinter der industriellen Revolution.
Zu Beginn des 18. Jahrhunderts gründet James Watts Großvater in der ärmlichen schottischen Hafenstadt Greenock eine Schule für Mathematik. Sein Sohn wird daraufhin ein erfolgreicher Schiffsbauer und Anbieter von Schiffsprodukten. Sein Alleinstellungsmerkmal ist sein "Geschick bei der Herstellung der empfindlichsten Apparate", was viele weitere Geschäftspartner anzieht – so auch Agnes Muirhead, eine vornehme Dame, die aus einer langen Ahnenreihe adliger Schotten stammt.
Das Glück direkt vor seiner Nasenspitze
Als James Watt am 18. Januar 1736 geboren wird, scheint seine Zukunft rosig zu sein und sie ist es anfangs auch. Seine Mutter unterrichtet ihn zu Hause, während das Geschäft seines Vaters, das er von ihrem Hinterhof aus führt, immer weiter wächst. Sein Vater schenkt ihm früh einen eigenen kleinen Werkzeugkasten, mit welchem er seine Spielsachen gerne zerlegt und wieder zusammensetzt. Manchmal konstruiert er aus den einzelnen Teilen auch ganz neue Dinge. Einer der Handwerker seines Vaters stellte einmal zu Recht fest, dass "Jamie" (wie ihn seine Familie und Freunde nannten) "das Glück direkt vor seiner Nasenspitze" hat. Es wird die Kombination aus seiner Beobachtungsgabe und seinen Fähigkeiten als Konstrukteur sein, mit welcher er Großbritannien und die ganze Welt revolutionieren wird.
Schwere Zeiten
Doch bald kommt es zu einer Reihe von geschäftlichen Katastrophen, darunter der Verlust eines wertvollen Schiffes, der sein Erbe so gut wie zunichtemacht. James muss daraufhin einen Beruf erlernen, um sich über Wasser halten zu können. Die Gesundheit seines Vaters verschlechtert sich ebenso schnell wie sein Erfolg im Beruf und im Jahr 1753, als er 17 Jahre alt ist, stirbt zu allem Überfluss seine geliebte Mutter. Im Sommer 1755 macht sich James auf den Weg und reitet ganze zwölf Tage lang nach London zu dem sich dort erhofften Reichtum. Der junge James kombiniert kurzerhand die Fähigkeiten seines Vaters und seines Großvaters, indem er mathematische Instrumente wie Messingwaagen und Parallellineale herstellt. Nachdem er so lange und hart gearbeitet hat, bis er krank wird, kehrt er im Herbst 1756 nach Glasgow zurück.
Sind Sie Watt?
Watt hofft, dass er, da er buchstäblich der einzige mathematische Instrumentenbauer in ganz Schottland ist, Arbeit findet. Doch die Gilde der Hammerleute (die alle vertritt, die mit Metall arbeiten) blockiert seine Anstellung. Sie behaupten, er könne erst arbeiten, wenn er eine längere Lehrzeit absolviert hat. Augenscheinlich haben sie jedoch niemanden, bei dem er in die Lehre gehen kann, da es niemanden mit Watts Spezialgebiet gibt. Es wird nicht das letzte Mal sein, dass Watt darauf warten muss, dass die Gesellschaft mit ihm Schritt halten kann.
Zum Glück beschäftigen ihn Universitätsprofessoren privat, um ihre akademischen Instrumente zu reparieren. Dieses Einkommen ergänzt er durch die Herstellung und den Verkauf von Brillen, Fiedeln, Flöten und Gitarren. Da er kein musikalisches Talent hat, studiert er die Wissenschaft der Harmonie. Die Präzisionsprodukte, die er herstellt, gelten als bessere Instrumente als die von Musikern gefertigten.
Dampf machen
Die Universität stellt Watt schließlich einen kleinen Laden zur Verfügung, in dem er arbeiten und seine Produkte verkaufen kann. Das Geschäft wird bald zu einem beliebten Treffpunkt für Professoren und Studenten. Mehr Ingenieur als Unternehmer, gründet er daraufhin zusammen mit John Craig ein Unternehmen, bei dem sie in den nächsten sechs Jahren Musikinstrumente und Spielzeuge herstellen.
Während dieser Zeit freundet Watt sich auch mit dem berühmten Wirtschaftswissenschaftler Adam Smith an. Smiths Schriften werden später zur „Bibel“ für den Kapitalismus und Watts Arbeit wird der Motor dafür sein. Im Jahr 1758 lernt Watt (später Professor) John Robinson kennen. Robinson wird ihn in die Wissenschaft der Dampfmaschine einführen. Da die Universität jedoch kaum über die notwendigen Apparate und Geräte verfügt, um mit Dampf zu experimentieren, baut Watt sie einfach selbst.
Im Jahr 1763 bittet ihn die Universität, eine ihrer Newcomen-Dampfmaschinen zu reparieren. Diese dampfbetriebene Maschine wurde von den englischen Ingenieuren Savery und Newcomen erfunden. Sie war das erste funktionierende Gerät, das Dampfkraft zur Erzeugung mechanischer Arbeit nutzte. Watt stellt allerdings schnell fest, dass sie äußerst ineffizient arbeitet. Über mehrere Jahrzehnte hinweg wurde sie vorwiegend in Bergwerken zum Abpumpen von Wasser eingesetzt. Da sich die Konstruktion jedoch in mehr als einem halben Jahrhundert kaum verbessert hat, sieht Watt darin ein großes Potenzial, mit dem sich enorme Gewinne erzielen lassen. Der Großteil der verfügbaren Literatur zu diesem Thema ist jedoch auf Französisch und Italienisch; folglich lernt Watt diese Sprachen.
Bei seinen anschließenden Dampfexperimenten entwickelt er die revolutionäre Theorie der latenten Wärme (vereinfacht gesagt, der "versteckten" Wärme und Energie im Dampf). Damit kann er die Leistung der Dampfmaschine schließlich um das Fünffache steigern. Erst danach erfährt er, dass ein anderer ansässiger Professor, Robert Black, die Theorie bereits entdeckt hatte und sie seit mehreren Jahren seinen Studenten lehrte. Die beiden tun sich zusammen: Black wird sowohl eine akademische als auch eine finanzielle Stütze für Watt werden.
Eine andere Partnerschaft geht er 1764 mit seiner Cousine Margaret Miller ein. Sie hilft ihm, seine "nervösen Kopfschmerzen" zu beruhigen. Sie bekommen fünf Kinder, aber nur zwei erreichen das Erwachsenenalter.
Watt experimentiert weiter und stellt dabei fest, dass das Newcomen-Modell etwa drei Viertel seiner Wärme vergeudet. Um die mechanische Bewegung überhaupt erst einmal zu erreichen, mussten die Bauteile (der Kolben und die Kammer) ständig gekühlt und wieder erhitzt werden. Hierfür wurde also mehr Energie aufgewendet als für die Bereitstellung der mechanischen Kraft.
Brillant, aber pleite
Als Watt an einem Sonntagnachmittag im Jahr 1765 spazieren geht, erkennt er plötzlich die Lösung – ihm schwebt eine separate Kammer vor, in der der Dampf kondensieren kann. Damit entfällt die Notwendigkeit des Kühlens und Wiederaufheizens und die Maschine wird schneller und sparsamer. Seine Erkenntnisse verwandeln eine Maschine mit begrenztem Nutzen in eine Maschine, die schließlich die industrielle Revolution antreibt.
Doch die Tatsache, dass seine Vision die Welt für immer verändern könnte, nützt Watt zunächst wenig. Er ist pleite und hoch verschuldet.
Deshalb stellt Robert Black ihn dem britischen Erfinder John Roebuck vor. Roebuck finanziert Watts Forschung schließlich, um ein funktionierendes Modell zu bauen. Er tilgt Watts Schulden und erhält im Gegenzug dazu zwei Drittel der Eigentumsrechte an seiner Erfindung. Doch nur die wenigsten Handwerker haben das Fingerspitzengefühl, das Watts Vater beim Bau von Instrumenten hatte. Watt muss erneut darauf warten, dass die Gesellschaft mit ihm Schritt halten kann. In der Zwischenzeit arbeitet er als Landvermesser und Bauingenieur, um sein Einkommen aufzubessern – Berufe, die er als langweilig und anspruchslos empfindet.
Die wissenschaftliche Literatur, die er für den nächsten Quantensprung studieren muss, ist auf Deutsch; also lernt er diese Sprache. Doch die ständigen Hindernisse – selbst die Erlangung eines Patents erweist sich als problematisch – beginnen langsam ihren Tribut zu fordern. Er leidet unter Schlaflosigkeit und tiefen Depressionen; nur seine Frau gibt ihm Halt.
Sein erstes Patent für den Kondensator im Januar 1769 stellt sowohl einen wissenschaftlichen als auch einen persönlichen Wendepunkt dar. Obwohl er rechtlich geschützt ist, verbringt er die nächsten sechs Monate damit, im Geheimen an einem brauchbaren Modell zu arbeiten. Ein halbes Jahr später testet er es: Die Maschine versagt, zweimal. Doch dies kann Watt dieses Mal nicht deprimieren. Er ist davon überzeugt, dass sein Modell funktionieren wird. Watt ist sich sicher, dass es an der mangelnden Akkuratheit und Präzision der Mechaniker liegt, dass sein Modell nicht funktioniert. Ein seltener Fall, in dem ein Genie zu Recht seinen schlechten Handwerkern die Schuld gibt. Da alles von Hand und mit Augenmaß gefertigt werden muss, wird der Mangel an qualifizierten - und nüchternen – Arbeitskräften Watt sein Leben lang plagen.
Noch härtere Zeiten
Sein Geldgeber, Roebuck, geht pleite. Roebucks Reichtum stammte ursprünglich aus dem Bergbau, doch seine Minen sind allesamt überschwemmt. Er hatte gehofft, dass Watt mit seiner verbesserten Konstruktion schnell Abhilfe schaffen würde. Doch ohne ein funktionierendes Modell ist Roebucks Reichtum aufgebraucht. Watts Zukunft sah wieder einmal düster aus. Dann, 1772, stirbt seine Frau Margaret, die ihn immer unterstützt hat, bei der Geburt eines weiteren Kindes.
Watt ist nun am absoluten Tiefpunkt angelangt. Er geht auf die 40 zu, ist Witwer, hat Kinder und ist hoch verschuldet. In dieser Zeit lernt er Matthew Boulton kennen, einen Geschäftsmann aus Birmingham. Boulton erwirbt Roebucks Unternehmen einschließlich Watts Patent. Dies ist genau der Durchbruch, den Watt braucht. Boutlon hat Zugang zu den Präzisionsbohrwerken und dem Instrumentebau, die er für seine Vision benötigt. Er beginnt im Mai 1774 mit seiner Arbeit bei Boutlon; die beiden werden für das nächste Vierteljahrhundert zusammenarbeiten.
Mit Volldampf voraus
Boulton & Watt stellen nun Dampfmaschinen her und bereits die ersten Kunden stammen aus den Bergwerken. Die Käufer sind gerne bereit, für eine Maschine zu zahlen, die nur ein Drittel der Kohle verbraucht, die das Newcomen-Modell benötigt. Watt reist sogar persönlich durch das Land, um sich vom Erfolg jeder Maschine zu überzeugen. Doch Boulton folgt ihm oft, da viele Watts katastrophales Geschäftstalent auszunutzen versuchen.
1776 heiratet Watt erneut und das Paar bekommt zwei Kinder. Watt wird sie beide überleben; doch die neue Mrs. Watt wird mit ihrem Gatten in Birmingham alt, glücklich und reich.
Und obwohl Boulton eigentlich der geschäftliche Kopf des Unternehmens ist, schlägt er Watt 1781 auch andere Anwendungsmöglichkeiten vor. Er regt an, dass seine Maschinen auch mahlen oder weben und vieles mehr können sollten. Durch die Umwandlung der Auf- und Abwärtsbewegung des Kolbens in eine Drehbewegung werden bald Papier-, Mehl-, Baumwoll- und Eisenmühlen von Watts Motoren angetrieben.
Industriespionage
Boulton & Watt werden zum führenden Maschinenbauunternehmen des Landes. Ihr Erfolg ist so groß, dass Deutschland und Frankreich versuchen, durch Industriespionage an Watts Pläne für die nächste Generation von Dampfmaschinen heranzukommen.
Boulton & Watt stellen daraufhin Edward Bull ein, um Maschinen für sie zu konstruieren. Doch dies wird ein teures Vergnügen. Bull macht sich nämlich bald daran, seine eigenen Versionen zu entwickeln - jedoch war er nicht der erste, der Watt verriet. Einer von Boultons Arbeitern, ein Mann namens Hatley, hatte Watts Entwürfe bereits verkauft. Ein anderer, Cartwright (wurde später gehängt), stahl eine andere seiner Ideen und verkaufte sie weiter.
Einige Unternehmen stellen bald darauf ihre Zahlungen an Watt ein, weil sie glauben, sein Patent sei nicht mehr durchsetzbar. Andere behaupten, Watt habe ein illegales Monopol geschaffen. Watt verklagt Bull und gewinnt. Doch Bull ist nur einer von vielen gegen die Watt vorgehen muss und auch wenn es letztlich gewinnbringend ist, wird es ein langer und kostspieliger Prozess. Allein die Rechnung seines Anwalts belief sich in Relation zur heutigen Zeit auf fast 500.000 Pfund.
Trotzdem gründeten Boutlon & Watt eine der ersten Wohlfahrtsgesellschaften für ihre Angestellten. Es hieß, dass kein einziges Mitglied jemals auf Bettelei oder Almosen angewiesen war, "mit Ausnahme einiger unverbesserlicher Trunkenbolde". Im Jahr 1784 verbesserte Watt die Dampfmaschine weiter und patentierte die Dampflokomotive.
Im Jahr 1786 sind Boulton und Watt schließlich weltweit berühmt. Sie werden so sehr gefeiert, dass Watt einmal berichtet, er sei "von morgens bis abends von Burgunder und unverdientem Lob besoffen".
1790 sind sowohl Boulton als auch Watt zu extrem wohlhabenden Männern aufgestiegen.
Der Dampf geht aus
Im Jahr 1800 ziehen die beiden Männer sich allerdings zurück und übergeben ihr Unternehmen an ihre Söhne. Tragischerweise stirbt Watts Sohn Gregory nur vier Jahre später. Watt widmet sich in den verbleibenden Jahren der Forschung. 1816 stattet er seinem Geburtsort Greenock einen letzten Besuch ab. Im Alter von 83 Jahren stirbt Watt am 19. August 1819 in Heathfield, England. Er wird neben seinem Geschäftspartner Matthew Boulton begraben.
1882 wird das Watt, eine Maßeinheit für die elektrische und mechanische Leistung, ihm zu Ehren benannt. Heute leuchtet sein Name auf fast jeder Glühbirne der Welt.