Interview mit Schauspieler und Drehbuchautor Michael Imperioli, dem Star aus „Die Sopranos“ und Executive Producer des neuen Doku-Dreiteilers „Die Paten von Amerika“ (ab 15.11., The HISTORY Channel)
Zurück zu den filmischen Wurzeln: Vor genau einem Vierteljahrhundert startete mit „Die Sopranos" eine der erfolgreichsten TV-Reihen aller Zeiten. Sie spielte im italo-amerikanischen Mafia-Milieu, und einer ihrer Stars war Michael Imperioli, der als Christopher Moltisanti ein junges Mitglied einer der Cosa-Nostra-Familien spielte. Mit „Die Paten von Amerika“ (ab 15.11., The HISTORY Channel) kehrt er nun als Executive Producer zum Thema des Serienhits von damals zurück, in der englischsprachigen Originalfassung fungiert er zudem als Erzähler. Die dreiteilige Dokumentation, die auf Selwyn Raabs Bestseller „Five Families“ basiert, erzählt die Entstehung, den Aufstieg und den Fall der fünf New-Yorker-Clans, die über einen Zeitraum von mehr als fünfzig Jahren an zahlreichen Taten des organisierten Verbrechens in den USA beteiligt waren, ob es sich um Glücksspiel, Drogenhandel, Erpressung oder gar Mord handelte.
Michael, du bist Executive Producer und in der englischsprachigen Fassung auch Erzähler von „Die Paten von Amerika“, der neuen Dokumentation des HISTORY Channels. Hat dich deine „Mobster-Vergangenheit“ als Schauspieler in Martin Scorseses Meisterwerk „GoodFellas – Drei Jahrzehnte in der Mafia“ und der Kult-Fernsehserie „Die Sopranos“, bei der du nicht nur als Christopher Moltisanti agiertest, sondern auch Drehbücher schriebst, für diesen Job prädestiniert?
Ich denke, viele Fans von „Die Sopranos“ kennen sich mit der Geschichte der Mafia nicht aus, sind aber fasziniert von dieser Welt, die sie im Fernsehen sehen. Ich hoffe, es macht ihnen Spaß, in die wahre Geschichte der Mafia in Amerika einzutauchen. Denn diese wahre Geschichte inspirierte die Macher zahlreicher Filme, zu denen man wohl „GoodFellas – Drei Jahrzehnte in der Mafia“ zählen darf, und auch Serien wie „Die Sopranos“. Ob ich für den Part als Erzähler der Doku prädestiniert bin? Das müssen die Zuschauer entscheiden. Mir hat es in jedem Fall Freude gemacht, und ich habe noch eine ganze Menge dazugelernt.
Du hast auch fünf Drehbücher für „Die Sopranos“ geschrieben. Was ist für dich so faszinierend an Mafia-Clans? Gibt es überhaupt eine Faszination für sie, da sie ja äußerst schreckliche Dinge tun und vor Mord und Totschlag nicht zurückschrecken?
Denke ich an das Storytelling, liegt für mich als jemand, der auch Drehbücher geschrieben hat, bei Mafia-Filmadaptionen die Latte ziemlich hoch. Es sind Variationen der ewigen Geschichten von Leben und Tod, Gut und Böse in „Großfamilien“, häufig mit sehr komplexem Hintergrund. Als Rezipient fragt man sich selbst: „Was ist richtig? Was ist falsch?“ Denn häufig können wir gewisse Handlungen innerhalb der Mafia nachvollziehen, die im gewissen Sinne Schutz bietet, aber auch auf erpresserische Methoden sowie das Ausüben von Druck und Gewalt setzt. Als Italo-Amerikaner kann ich diese Attitüde, obwohl niemand in meiner Familie je in der Mafia war, beim Spielen und Schreiben ganz gut nachvollziehen. Ich meine nicht die Brutalität, die ich verabscheue, aber das italienische Temperament, wie man nicht nur mit dem Mund, sondern mit Händen und Füßen gleichzeitig redet, wie und was man isst und wie man miteinander umgeht.
Welches der in „Die Paten von Amerika“ behandelten Mafia-Oberhäupter hat dich am meisten beschäftigt?
Carlo Gambino. Er war einer der mächtigsten Mafiosi in der Geschichte der Cosa Nostra und sehr lange an der Macht. Während seiner mehr als ein halbes Jahrhundert währenden Tätigkeit für das organisierte Verbrechen verbüßte er 1937 nur 22 Monate Haft für eine Anklage wegen Steuerhinterziehung, obwohl zahlreiche Auftragsmorde auf sein Konto gehen. Gambino stieg 1957 zum Boss als einer der „Fünf Familien“ von New York auf, die unter ihm als Gambino-Familie bezeichnet wurde. Kein Teil der USA war außerhalb seiner Reichweite. Seine Familienpolitik lautete „Deal and Die“. Obwohl er alles kontrollierte und unliebsame Konkurrenten reihenweise verschwinden ließ, lebte er nach außen ein bescheidenes Leben in einem einfachen Haus ohne Glamour. Vielleicht war gerade dies das Geheimnis seines langen Erfolgs innerhalb der Mafia.
Hast du einen favorisierten Mafiafilm?
„Der Pate“ und „Der Pate – Teil II“ sind einfach unglaublich! Ich werde nie müde, diese Filme anzuschauen.
Du warst selbst auch in dem Mafia-Klassiker „GoodFellas“ zu sehen.
„GoodFellas“ ist auch ein guter Film! Bei „Der Pate“ finde ich vor allem die Szenen gelungen, wenn der von Al Pacino verkörperte Michael, Sohn von Marlon Brandos Don Vito nach den Morden an Gegenspieler Solozzo und dem korrupten Polizeicaptain McCluskey, ins sizilianische Dorf Corleone flieht. Da wirkt alles besonders authentisch, was italienische Sitten angeht.
Die amerikanische Mafia existiert immer noch. Ist ihre glamouröse Zeit aber zu Ende?
Früher erlaubten die schwachen Gesetze es der Mafia, viele Lücken zu finden. So gab es für Betrugsspiel meist nur ein, bis zwei Jahre Haft, wenn es aufgedeckt wurde. Das hielt also niemanden von der Mafia ab, damit das Geld tonnenweise zu scheffeln. Seitdem die Gesetze verschärft wurden und man für Spielbetrug und Geldwäsche bis zu 15 Jahre inhaftiert werden kann, ist die Mafia vorsichtig geworden. Jetzt kontrollieren sie häufig die Restaurants und den Wäscheservice in großen Hotels, was nach außen „sauber“ und legal aussieht.
Ist die Mafia in den USA auch technokratischer geworden?
Vielleicht, denn alles und jeder arbeitet nun mit Computern. Die Instrumente der Mafia mögen heute andere sein, doch sie hat nichts von ihrer Gefährlichkeit verloren.
Das Interview führte Marc Hairapetian. Bildmotiv Michael Imperioli (Copyright: Spencer Ostrander / A+E Networks)